Das Oberleder bzw. der Schaft ist der Teil des Schuhs, der den Fuß bedeckt und später mit der Sohle vernäht wird. Da sowohl das Vernähen des Oberleders, als auch das Annähen der Sohle, mindestens 2 bis 3 Stunden in Anspruch nimmt, teilen wir diese Arbeitsschritte auf mehrere Tage auf. Dabei vernähen wir das Oberleder an einem und die Sohle an einem anderen Tag.
Für das vernähen vom Oberleder benötigen wir einen Eimer mit Wasser, das zugeschnittene Leder, Bienenwachs, ein Kneip, zwei dreifädige Pechdrähte mit Stahlborsten, einen Hammer, eine kleine gekröpfte Ahle und ein Holzbrettchen.
Bevor mit dem vernähen begonnen werden kann, schärfen wir grundsätzlich unser Werkzeug. Dafür lohnt es sich folgende Videos zu Gemüte zu führen:
Sobald das Kneip und die Ahle geschärft wurden, kann mit den eigentlichen Lederarbeiten begonnen werden. Hierzu wird das Leder in einen Eimer mit Wasser getaucht (Abb. 2) und solange gewässert, bis das Leder "Dampf" ist. Dieser Punkt ist erreicht, wenn keine Luftbläschen mehr aus dem Leder aufsteigen. Das kann, je nach Oberleder, zwischen 2 bis 3 Minuten dauern. Sohlen brauchen dafür deutlich länger. Hierbei können Zeiten zwischen 3 bis 20 Minuten eingeplant werden.
Da wir das Leder nass verarbeiten, müssen die Nähte gut zugezogen werden. Ansonsten könnten sich Lücken zwischen den Lederkanten auftun, sobald es trocknet.
Nachdem das Leder gut eingeweicht wurde, wird die Fersenverstärkung mit dem Kneip, hufeisenförmig ausgedünnt. Hierzu wird das Lederstück, mit der Glatten Seite nach unten, an den Rand einer Tischkante gelegt und angeschärft. Das bedeutet, dass das Leder von der Mitte zum Rand hin immer dünner wird. Findet man im Inneren des Leders, nach dem ersten Schnitt, trockene Stellen, sollte das Leder noch einmal ins Wasser gelegt werden.
Das Messer wird schräg an die Lederkante angesetzt und sollte sich, bei moderatem Druck und langsamen Schnittbewegungen, durch das Leder arbeiten. Der Daumen der anderen Hand hält gegen (Abb. 3), sodass sich das Leder nicht verschiebt. Bitte seid an dieser Stelle vorsichtig. Übt nicht zuviel Druck aus, denn das Messer soll sich kontrolliert durch das Leder schneiden, ohne eine Gefahr für die Finger darzustellen. Die gerade Seite der Fersenverstärkung könnte zwar auch angeschärft werden, wird allerdings nach dem Vernähen der Sohle weggeschnitten, da dieser Teil im Bereich der Zwickzugabe liegt.
Das Anschärfen der Lederkante hat den Vorteil, dass die Fersenverstärkung im Schuh nicht drückt und auch keine Kante bietet, an der man beim Hineinschlüpfen hängen bleiben könnte.
Die Ferseverstärkung wird an der vom Schnittmuster vorgegebenen Stelle platziert, in der Regel, an der hintersten Stelle des Oberleders, in der Nähe der Oberledernahtkante. Dabei sollte die gerade Kante der Fersenverstärkung bündig mit der Kante des Oberleders verlaufen. (Abb. 5) Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass die raue Seite der Fersenverstärkung auf der rauen Seite des Oberleders liegt. Die glatte Seite zeigt also nach oben.
Die Spitze der Ahle sollte vor jedem neuen Stich in ein Stück Bienenwachs gestochen werden, da sie dadurch besser durch das Leder gleitet. Dabei müssen nur die ersten 3-5 Millimeter der Ahle in das Bienenwachs gestochen werden.
Das Leder liegt beim Vernähen grundsätzlich auf dem Kopf, d.h. der Stichkanal wird zu einem hin gestochen. Es ist Anfangs etwas ungewohnt, allerdings soll die Ahle nun mal nicht mit Druck durch das Leder geschoben werden, sondern es soll sich kontrolliert durch das Leder schneiden und dafür ist die Ausgangssituation günstiger. Das Leder muss nach einer gewissen Zeit, aber spätestens, in der Kurve der Fersenverstärkung gedreht werden (Abb. 12).
Da die Ahle sich durch das Leder schneiden soll, ist die richtige Technik notwendig: Insgesamt soll die Ahle nur mit moderatem Druck geführt werden. Da es ohne hin, sehr Mühsam wäre, die Ahle durch das Leder zu schieben. Die gekröpfte Ahle hat an der vordersten Spitze eine winzige Schneide, die durch eine Drehbewegung des Ahlenhefts, ähnlich der Bewegung beim Schrauben mit einem Schraubenzieher, hin und her bewegt werden kann und sich somit durch das Leder arbeitet. Der Oberarm bleibt bei der Drehbewegung ruhig, lediglich der Unterarm dreht sich mit der Hand mit.
Die Ahle wird senkrecht auf dem Leder angesetzt, d.h. der Griff der Ahle zeigt nach oben. Die Spitze der Ahle zeigt in die Richtung, in der der Stichkanal verlaufen soll. Der Stich beginnt auf der Fersenverstärkung, etwa 3mm vom Rand (Abb. 13 - roter Punkt) und führt in einem Bogen durch das Leder der Fersenverstärkung und des Oberleders, bis es kurz hinter der Fersenverstärkung wieder heraus kommt (Abb. 13 - blauer Punkt; Abb. 7). Der Stichkanal läuft dabei allerdings nicht gerade, also im 90° Winkel zum Rand, sondern leicht schräg, etwa 45°. Denn das Ende des Stichkanals, markiert die Höhe des neuen Stichs. Jeder neue Stich sollte im Abstand von 3mm zum Alten erfolgen. (Abb.10, 13)
Die Ahle wird in eine schnelle Drehbewegung versetzt. Nach wenigen Drehung sollte sich die Ahle in das Leder hineingearbeitet haben. Erst jetzt wird die Position der Ahle verändert. Dabei wird, unter einer dauerhaften Drehbewegung die Position des Armes immer Flacher, bis sich die Ahle, in einem Bogen, komplett durch das Leder gearbeitet hat. Anschließend wird die Ahle auf dem selben Weg aus dem Stichkanal geführt, wie es sich seinen Weg hineingearbeitet hat. D.h. die Ahle wird unter einer sanften, schnellen Drehbewegung wieder herausgezogen. Diese Technik sollte vorher an einem Probestück geübt werden.
Im direkten Anschluss daran, wird die Stahlborste samt dem Pechdraht durch das Ahlenloch gezogen, bis nur noch ein kleiner Überstand von etwa 2 bis 3cm stehen geblieben ist. Dieser Überstand wird unter den folgenden Stichen vernäht. Klingt zwar sehr rudimentär, aber es reicht für diesen Zweck aus.
Das ganze Prozedere wiederholt sich nun solange, bis die Naht vollendet ist und am Ende ein Knoten gemacht werden kann. Hierzu wird der letzte Stich ausgeführt und der Pechdraht durchgefädelt. Allerdings nicht komplett durchgezogen (Abb. 14). Der Pechdraht wird durch die, noch nicht ganz zugezogene, letzte Schlaufe gefädelt. Dadurch entsteht eine neue Schlinge. Durch diese Schlinge wird der Pechdraht zurückgeführt. Jetzt kann die aller erste Schlaufe fest zugezogen werden. Dazu zieht man einfach an dem Faden der aus dem letzten Stichkanal kommt (Abb. 15). Jetzt kann die zweite Schlaufe zugezogen werden. Allerdings sollte die dritte Schlaufe noch offen bleiben (Abb.16). Denn durch diese wird das letzte mal der Faden hindurchgefädelt und feste zugezogen (Abb. 17). Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sich die anderen Schlaufen nicht lockern. Im Endeffekt sollte ein schöner, fester Knoten entstehen (Abb. 18). Der restliche Pechdraht kann nun im Abstand von etwa 0,5 bis 1cm vom Knoten abgeschnitten werden.
Nachdem die Naht durch den Knoten gesichert wurde wird diese, durch lockere Schläge mit dem Schusterhammer, geglättet und verfestigt. Dabei kann sowohl von der Außen- als auch von der Innenseite geklopft werden. Achtet dabei darauf, dass die Unterlage gerade und frei von jeglichem Schmutz bzw. Krümeln ist, da diese beim Klopfen ins Leder gedrückt werden.
Im Anschluss an die Fersenverstärkung, kann der Oberledereinsatz am Schaft festgenäht werden. Dazu wird der Einsatz, nachdem er sich in einem Eimer Wasser voll saugen konnte, an den L-Förmigen Schnitt platziert. Die Lederkanten sollte dabei auf Stoß aneinander liegen (Abb. 19).
Die Lederklappe, die durch den L-Schnitt entstanden ist, wird soweit es geht umgeklappt, damit sie beim späteren Vernähen nicht im Weg liegt (Abb. 19). Der Pechdraht, der zum Annähen des Oberledereinsatzes verwendet werden soll, wird in der Mitte geteilt. Eine der Hälften wird mit einer Stahlborste versehen. Die andere kann aufgehoben und für den anderen Schuh verwendet werden.
Damit der Faden nicht durch den Stichkanal rutscht, wird er mit einem Knoten am dicken Ende des Pechdrahts gesichert (Abb. 20).
Nachtrag: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein einfacher Knoten alleine nicht ausreicht - er kann durchrutschen. Daher empfehlen wir beide Lederteile fest miteinander zu verknoten. Dazu muss nach dem Durchfädeln des Pechdrahts ein Knoten mit beiden Enden gemacht werden.
Der erste Stich mit der Ahle verläuft in einem Bogen, beginnend am Schafteinsatz, durch die aufeinandertreffenden Lederkanten und kommt auf der Seite des Oberleders heraus. Dabei sollte versucht werden durch die halbe Lederstärke zu stechen. Der Abstand der Ein- und Ausstiche zur den jeweiligen Lederkanten, genauso wie zu jedem weiteren Stich sollte etwa 3mm betragen. Dabei sollten die Stiche gerade, bzw. rechtwinklig zur Lederkante gestochen werden (Abb. 21, 22, 23). Dadurch ist der Weg, der mit der Ahle durch das Leder zurückgelegt werden muss, möglichst kurz. Bei dieser Naht ist es besonders wichtig, die Stiche fest zu zuziehen. Es hat sich bewährt, den vorherigen Stich nochmals zu zuziehen, bevor der derzeitige Stich festgezogen wird. Das Ende der Naht wird mit dem gleichen Knoten, der auch bei der Fersenverstärkung zum Einsatz kam, verknotet. Die Naht wird im Anschluss geklopft.
Wir haben bis jetzt grundsätzlich die Schneidmatte als Nähunterlage verwendet. Allerdings hat sich herausgestellt, dass die Verfärbungen auf der Lederseite auch durch den Reibungswiderstand der beiden Oberflächen entstehen sein kann. Daher lieber ein Holzbrett unterlegen.
Die Stoßnaht des Oberleders wird mit dem halben Lederstich vernäht. Dabei kommt ein dreifädiger Pechdraht, mit einer Stahlborste an jedem Ende, zum Einsatz. Um die Arbeit am Schaft zusätzlich zu erleichtern, wird ein Holzbrettchen in das Oberleder hineingelegt (Abb. 28).
Der Schaft wird mit der späteren Einschlupföffnung nach oben bzw. von einem weg zeigend positioniert.
Der erste Stich wird am obersten Ende der Naht, in der Nähe der Einschlupföffnung gemacht. Die Stichführung ist die selbe, die beim Oberledereinsatz verwendet wurde. Das Eintrittsloch der Ahle, ist auf der gleichen Höhe, wie das Austrittsloch.
Eine Stahlborste wird durch das erste gestochen Loch gezogen bis die beiden Pechdrahthälften gleich Lang sind. Daraufhin kann ein zweites Mal durch das Loch hindurchgestochen werden. Dadurch bildet sich eine Schlaufe, die den Nahtbeginn sichert - haben wir beim Nähen dieses Schuhs vergessen.
Der nächste Stich erfolgt in einem Abstand von 3mm zum Letzten. Die beiden Stahlborsten werden durch dieses Loch gefädelt, ohne den Pechdraht durchzuziehen, nur soweit, dass beide Stahlborstenspitzen aus den Löchern herausschauen. Da beim Arbeiten mit der Ahle immer ein kleineres Loch und ein größeres Loch zurückbleibt, bedingt durch die Form der Ahle, wird zuerst die Stahlborste durchgezogen, die durch das dünnere Loch muss (bei Rechtshändern, die linke Stahlborste) und erst danach die andere. Der Pechdraht wird fest, aber dennoch Gefühlvoll zugezogen.
Am Ende der Naht, wird nur eine Stahlborste durchgefädelt, sodass beide Fäden auf einer Seite liegen. Die beiden Enden werden miteinander verknotet und bis auf wenige Millimeter abgeschnitten (Abb. 30, 31). Die Naht wird vorsichtig mit dem Schusterhammer beklopft.
Der Schaft ist jetzt fertig vernäht und kann entweder direkt weiterverarbeitet oder für eine spätere Verarbeitung getrocknet werden.