Der Pechdraht wird beim Vernähen eines Schuhs auf das äußerste belastet und muss dementsprechend stabil sein. Daher besteht der Pechdraht aus mehreren einzelnen Fäden, die durch Verzwirnen, Pechen und Wachsen ein rissfestes Nähgarn bilden. Je nachdem, wie hoch die jeweilige Naht belastet wird und wo der Pechdraht zum Einsatz kommt, muss das Garn stärker bzw. dünner gearbeitet werden. Damit der Pechdraht dabei auch für die komplette Naht ausreicht, muss vorab die spätere Länge festgelegt werden.
Sohlennaht:
Der Pechdraht für die Sohlennaht sollte aus etwa 6-7 Fäden bestehen und eine Länge von 2 1/2 Armspannen (=von einer Hand zur anderen, bei ausgebreiteten Armen) betragen.
Schaftnähte:
Für alle Nähte die zum "Oberleder Vernähen" (Stoßnaht, Oberledereinsatz, Fersenverstärkung) gehören, sollten 3 Fäden verwendet werden. Dabei sollte die Länge von einer Armspanne ausreichen. Sollte eine Applikation, also eine Schaftrandverstärkung, angesetzt werden, so sollte für diese Naht ein Pechdraht mit einer Stärke von 2 Fäden ausreichen.
Zum Herstellen eines Pechdrahts wird ein einfädiges Garn benötigt. Hierbei können wir das Garn von Garnkontor.eu empfehlen. Es ist sauber verarbeitet und besitzt so gut wie keine Knötchen. Natürlich kann jedes andere Garn verwendet werden. Dabei sollte die Stärke des Garns etwa bei NeL 12/1 liegen.
Desweiteren benötigt man naturfarbenes Pech, dass wir von Stefan von der Heide beziehen. Hierbei empfehlen wir auf Winterpech zurückzugreifen, den dieses Pech kann selbst bei niedrigen Temperaturen (+/- 20°C) verwendet werden. Sommerpech hingegen kann erst bei Temperaturen über 30°C verarbeitet und scheidet daher für uns aus.
Genauso wird ein Baumwoll- bzw. ein Leinentuch benötigt. Die Ränder des Tuchs sollten am besten umsäumt werden, damit sich keine losen Fäden im Pechdraht verheddern. Außerdem wird etwas Bienenwachs benötigt.
Wir haben uns entschlossen, nachfolgend einen Pechdraht für die Sohlennaht herzustellen. Dieser ist mit der Aufwendigste und dient somit als ideales Beispiel. Für die Herstellung von kleineren und dünneren Pechdrähten, werden entsprechend weniger bzw. kürzere Fäden verwendet.
Der Pechdraht für die Sohlennaht wird aus 7 einzelnen Fäden hergestellt, die nacheinander von der Rolle abgerollte und abgetrennt werden.
Damit die Rolle (Abb. 2) nicht durch die Gegend hüpft, haben wir diese auf ein improvisiertes Gestell gesteckt.
Der erste Faden wird 2 1/2 Armspannen lang und ist der Grundfaden. Alle weiteren Fäden werden immer kürzer. Das hat den Sinn, dass der Pechdraht Spitz zuläuft und nicht, wie es bei einem geschnittenen Garn der Fall wäre, abrupt Endet. Die Spitze des Pechdrahts wird dabei als Kleispe bezeichnet.
Nachdem der erste Faden von der Garnrolle abgerollt wurde, wird er nun an der abgemessenen Stelle abgetrennt. Das Abtrennen des Fadens geschieht hierbei nicht durch eine Schere oder durch das pure zerreißen des Fadens, sondern durch das aufdrehen gegen die Spinnrichtung. Hierdurch werden die Fasern des Garns parallel ausgerichtet und lassen sich durch einen leichten Zug trennen.
Das rechte Bein steht etwas erhöht auf einem Hocker. Der Faden kommt von rechts und läuft nach links über das aufgestellte Bein. Mit der linken Hand wird der Faden gehalten und auf eine leichte Spannung gebracht. Die rechte Hand liegt flach auf der Oberseite des Oberschenkels, wobei sich unter den Fingern der Leinenfaden befindet (Abb.3). Anschließend rutscht die Hand über den Oberschenkel nach vorne, in Richtung des Knies (Abb.4). Dadurch sollte sich der Faden etwas drehen. Gleichzeitig sollte der Zug mit der linken Hand etwas erhöht werden. Dabei darf der Faden nicht unter der rechten Hand hindurchrutschen. Durch diesen leichten Zug, müsste sich der Faden trennen (Abb.5). Am besten man zieht für diese Arbeit eine alte, etwas gröber Jeans an, denn dadurch rollt der Faden besser und rutscht nicht über das Bein.
Der zweite Faden wird etwa 5-10cm hinter dem Anfang des ersten Fadens angelegt, also etwas versetzt (Abb. 6). Danach bemisst man an der Länge des Grundfadens wo der zweite Faden enden muss. Das Ende des zweiten Fadens, sollte genauso wie der Anfang, 5-10cm hinter dem Grundfaden enden. Jeder weitere Faden muss immer hinter dem vorherigen Beginnen und Enden und dadurch immer kürzer werden (Abb. 7).
Durch die enorme Länge des Pechdrahts bemerkt man schnell, dass das Garn oft auf den Boden zu liegen kommt. Daher sollte der Boden auch Sauber und frei von Staub und Dreck sein.
Der Pechdraht müsste bis jetzt aus etwa 7 einzelnen Fäden bestehen, wobei der Anfang und das Ende des Pechdrahts spitz zuläuft. Damit wir den Pechdraht weiterverarbeiten können, muss dieser seine grobe Form erhalten. Dazu wird er etwas angefeuchtet und vorgedreht. Hierfür wird ein kleiner Behälter mit Leitungswasser benötigt.
Das rechte Bein steht erhöht auf einem Hocker. Die Fäden werden zu Beginn in der linken Hand gehalten, wobei ein Ende - die Kleispe, oben aus der Hand hervorschaut. Sowohl der Zeigefinger, als auch der Daumen werden etwas angefeuchtet und streichen von dem dickeren Teil der Kleispe zur Spitze hin.
Die Kleispe wird auf das aufgestellte Bein gelegt - von links nach rechts. Die rechte, freie Hand kann, ähnlich dem Ablängprozess, über die Kleispe rutschen und den Pechdraht etwas verzwirnen (Abb. 8). Sobald die einzelnen Fäden der Kleispe leicht verdreht wurden, wird mit dem restlichen Pechdraht genauso verfahren. Dazu wird der Pechdraht um 180° gedreht, sodass die linke Hand die Spitze des Pechdrahts halten kann. Dadurch liegt der dicke Teil des Pechdrahts auf dem Bein und kann angefeuchtet und verdreht werden. Dieser Prozess wird über den kompletten Pechdraht fortgeführt, bis die andere Kleispe verdreht wurde. Während des Verdrehens wird der Pechdraht um die linke Hand gewickelt (Abb.9).
Im Anschluss daran, sollte der komplette Pechdraht leicht vorgedreht und um die Hand gewickelt sein.
Bevor der komplette Pechdraht gepicht und gewachst werden kann, müssen zuerst die Kleispen separat vorgearbeitet werden. Dafür werden die Kleispen aus dem Wickel herausgezogen. Danach nimmt die rechte Hand die Pechkugel und legt den dicken Teil der Kleispe auf das Pech. Anschließend zieht die linke Hand, mit einem schnellen, kräftigen Ruck, den Pechdraht unter den Daumen der rechten Hand, durch das Pech, hindurch. Das wird solange Wiederholt, bis alle Seiten der Kleispe genügend Pech aufgenommen haben (2-3x). Direkt im Anschluss wird der Pechdraht auf das aufgestellte Bein gelegt und verdrillt. Wir haben uns angewöhnt, nach jedem Drehen, den Pechdraht aus der rechten Hand herauszuziehen. Die dabei entstehende Wärme lässt das Pech schmelzen und dringt tief in die Kleispe ein (allerdings auch in die Hose). Die Kleispe sollte 2-3x direkt hintereinander verdreht werden, damit diese auch genügend drall besitzt.
Beide Kleispen müssen vorgearbeitet sein, bevor mit dem nächsten Schritt weitergemacht werden kann.
Nachdem die Kleispen gepicht wurden, kann mit dem eigentlichen Zwirnen begonnen werden. Hierzu wird der Pechdraht durch eine Öse gezogen und gespannt (Abb.12). Anschließend werden die Kleispen in die linke Hand genommen. Das eine Ende wird in der Innenseite der Hand, das Andere zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten (Abb.13).
Im Anschluss wird die Kleispe, die zwischen den Fingern fixiert wird, verzwirnt. Dazu wird die Kleispe auf den Oberschenkel aufgelegt und verdreht (siehe: Vordrehen). Während die Hand, beim Verzwirnen, in Richtung Knie geschoben wird, müssen die Finger linken Hand kurz loslassen.
Bis der Pechdraht eine gleichmäßig, kräftige Wicklung aufweist, sollte der Vorgang des Verdrehens 10 mal wiederholt werden.
Um den Pechdraht seine außergewöhnlich hohe Stabilität zu verleihen, wird das Garn gepicht. Dazu hält die linke Hand die Kleispen und die rechte Hand die Pechkugel, wobei der Daumen der Rechten, das Garn auf dem Pechdraht fixiert (Abb.14). Anschließend wird die rechte Hand samt der Kugel nach vorne und hinten, entlang des Pechdrahts geschoben. Durch die schnelle und ruckartige Bewegung, schmilzt das Pech und fließt in den Pechdraht hinein. Das Pichen muss über den kompletten Pechdraht ausgeführt werden, sowohl auf der Ober-, als auch auf der Unterseite. Da die Arme meist für den kompletten Pechdraht zu kurz sind, kann der Pechdraht um die Hand gewickelt werden. Dadurch arbeitet man sich Schritt für Schritt den kompletten Pechdraht entlang. Der Ösenbereich des Pechdrahts darf dabei nicht vergessen werden. Hierzu wird an einer Pechdrahthälfte gezogen bis dieser Bereich frei liegt und gepicht werden kann.
Um das Pech tief in die Fasern hineinarbeiten und das überschüssige Pech entfernen zu können, nimmt man einen kleinen Lappen und umschließt damit den Pechdraht (Abb. 15). Das Tuch wird anschließend, schnell entlang des Pechdrahts vor und zurück gezogen. Dabei sollte das Pech sich erhitzen und flüssig werden. Wichtig ist, dass der Pechdraht dabei nicht zu heiß wird. Leinen ist sehr resistent gegenüber Hitze, dennoch könnte er durch zu viel Reibung unbrauchbar werden. Wir empfehlen einen dünnen Lappen, denn dabei spürt man die entstehende Wärme und kann rechtzeitig aufhören. Außerdem sollte der Daumen der rechten Hand zwischen den beiden Pechdrahthälften platziert werden, um das versehentliche zusammenkleben dieser zu verhindern.
Damit der Pechdraht besser durch das gestochene Ahlenloch rutscht, wird der Draht nach dem Pechen gewachst. Dazu wird genau die selbe Prozedur angewandt die beim Pechen zum Einsatz kam. Anstelle des Pechs wird dabei einfach Bienenwachs genommen. Nach dem Wachsen wird der Pechdraht noch einmal ausgerieben.
Der Pechdraht ist nun fertig zur weiteren Verwendung (Abb. 16). Wir arbeiten unsere Pechdrähte gerne auf Vorrat, dabei können wir dazu raten die Pechdrähte kühl, trocken und staubfrei zu lagern.
Wir verwenden zum Nähen unserer Schuhe Stahlborsten, die wir bei Stefan von der Heide beziehen.
Um die Stahlborste verwenden zu können muss diese am Pechdraht befestigt werden. Dabei wird der Pechdraht nicht wie üblich einfach durch die Öse gezogen sondern fest fixiert.
Die Kleispe wird von der Spitze bis zur vollen Stärke des Pechdrahts immer dicker. Auf der halben Stärke der Kleispe beginnend sticht man mehrfach durch den Pechdraht, insgesamt drei Mal, in einem Abstand von etwa 1cm, in Richtung des dickerwerdenden Drahts (Abb. 17). Das dünne Ende wird durch das Nadelöhr geschoben. An diesem dünnen Ende wird gezogen, bis der erste durchstochene Bereich am Ende des Öhrs angekommen ist. Danach hält man den dickeren Bereich des Pechdrahts und zieht fest, bis der Pechdraht über as komplette Nadelöhr gerutscht ist. Die durchstochenen Bereiche schieben sich dadurch über den dünneren Bereich der Kleispe.
Jetzt ist der Pechdraht fertig zum Nähen (Abb. 18), allerdings empfiehlt sich bei einigen Nähten, die in einem Bogen durch das Leder gestochen werden (z.B. Sohlennaht, Fersenverstärkung, Stoßnähte), die Stahlborste etwas zu verbiegen. Dadurch fällt das durchfädeln der Stahlborste einfacher. (Siehe: Oberleder vernähen, Abb. 21)
Dazu wird die Ahle in die rechte Hand genommen und die Stahlborste in die Andere. Danach wird die Borste auf den stählernen Schaft der Ahle gelegt und mit dem Daumen der rechten Hand festgehalten. Die rechte Hand zieht die Borste in einem Bogen über die Ahle und versucht aus der geraden Stahlborste eine Kurvige zu machen. Falls der erste versuch Missglückt, kann die Borste jederzeit wieder gerade gezogen werden.